Einen die fristlose Kündigung rechtfertigenden Grund stellt u. a. eine
grobe Beleidigung des Vorgesetzten dar, die nach Form und Inhalt eine erhebliche
Ehrverletzung für den Betroffenen bedeutet. Zwar dürfen Arbeitnehmer
Kritik am Arbeitgeber, ihren Vorgesetzten und den betrieblichen Verhältnissen
üben und sich dabei auch überspitzt äußern. In grobem Maße
unsachliche Angriffe, die zur Untergrabung der Position eines Vorgesetzten führen
können, muss der Arbeitgeber aber nicht hinnehmen.
In einem Fall aus der Praxis fand zwischen einem Arbeitnehmer und seinen Vorgesetzten
ein Konfliktgespräch statt. Das Gespräch endete damit, dass der Vorgesetzte
den Arbeitnehmer mit den Worten "Raus hier!" seines Büros verwies.
Am Tag darauf äußerte sich der Arbeitnehmer gegenüber drei Arbeitskollegen
im Rauchercontainer abfällig ("Der ist irre, der dürfte nicht
frei herumlaufen" oder "der ist nicht normal") über seinen
Vorgesetzten. Der Arbeitgeber kündigte daraufhin das Arbeitsverhältnis
fristlos.
Das Landesarbeitsgericht Mainz entschied dazu, dass es zwar zutreffend ist,
dass die Äußerungen des Arbeitnehmers einen wichtigen Grund für
eine außerordentliche Kündigung darstellen. Dennoch ist die "außerordentliche"
Kündigung nach den Umständen des vorliegenden Falls wegen des Fehlens
einer Abmahnung unverhältnismäßig.
Eine "außerordentliche" Kündigung kommt nur in Betracht,
wenn es keinen angemessenen Weg gibt, das Arbeitsverhältnis fortzusetzen,
weil dem Arbeitgeber sämtliche milderen Reaktionsmöglichkeiten unzumutbar
sind. Als mildere Mittel gegenüber der außerordentlichen Kündigung
sind neben der ordentlichen Kündigung auch Abmahnung und Versetzung anzusehen.
Sie sind dann alternative Gestaltungsmittel, wenn schon sie geeignet sind, den
mit der außerordentlichen Kündigung verfolgten Zweck - die Vermeidung
künftiger Störungen - zu erreichen.
Einer Abmahnung bedarf es demnach nur dann nicht, wenn bereits aus der Beurteilung
aus früherer Sicht erkennbar ist, dass eine Verhaltensänderung auch
nach Abmahnung nicht zu erwarten steht, oder es sich um eine so schwere Pflichtverletzung
handelt, dass selbst deren erstmalige Hinnahme dem Arbeitgeber objektiv unzumutbar
und damit offensichtlich - auch für den Arbeitnehmer erkennbar - ausgeschlossen
ist.